www.flickr.com

Wiederverheiratete Geschiedene

Wahrnehmung

Der Umgang der katholischen Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen gehört zu den am häufigsten genannten Themen (213 Voten). Dabei gilt die kritische Analyse zwei grundlegenden Fragestellungen: 1. Wie erleben wiederverheiratete Geschiedene ihre Situation in der Kirche? 2. Wie erleben Menschen die katholische Kirche, wenn sie deren Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen in den Blick nehmen?
Einige Voten sprechen die seelische Not an, die die Scheidung selbst - für die Partner wie auch für die Kinder - mit sich bringt. Häufig wird darauf hingewiesen, daß viele wiederverheiratete Geschiedene sich von der Kirche alleingelassen fühlen. Daß sie nicht zu den Sakramenten zugelassen werden, erleben sie als unverständliche Härte - als Ausgrenzung; dazu gehört auch die Erfahrung, von bestimmten Ehrenämtern ausgeschlossen zu sein und ggf. berufliche Nachteile zu haben.
Sehr viele Voten verbinden die Frage des Umgangs der Kirche mit wiederverheirateten Geschiedenen mit der Frage der Glaubwürdigkeit der Kirche. Der Mangel an Lebensnähe, an Toleranz und insbesondere an Barmherzigkeit, den die Kirche in diesem Bereich zeigt, schadet der Kirche insgesamt. Er erschwert es ihr, glaubwürdig die befreiende Botschaft Jesu von einem Gott, der den Menschen zugewandt ist, zu bezeugen.

Von der Leitung der katholischen Kirche - Papst und Bischöfe - und in eher differenzierter Form auch von der örtlichen Gemeinde fühlen sich die Geschiedenen und Wiederverheirateten meist nicht verstanden und mit ihren Problemen alleingelassen. Viele glauben sich diskriminiert, ausgestoßen, ja verdammt. Die kirchlichen Regelungen können sie nicht akzeptieren; sie erleben sie - gerade im Vergleich mit dem Handeln Jesu - als unverständliche Härte und Unbarmherzigkeit. (G211-371-0)
... Menschen ..., die sich in aller Regel weder bei der Scheidung noch bei der Wiederverheiratung leichtfertig verhalten, sondern tiefgreifende innere Kämpfe und Entscheidungsprozesse durchstehen. (G133-142-0)
... darf man ... Menschen ... ein Leben lang ausschließen, obwohl es ihnen unmöglich und für sie unzumutbar ist, den alten Zustand wiederherzustellen, während man einem reumütigen Mörder nach Empfang des Bußsakramentes die hl. Kommunion reicht, obwohl auch er den alten Zustand nicht mehr herstellen kann. (VD-030-110)
... ist in dieser Situation Frohbotschaft erfahrbar? (G351-804-0)
Es ist ... die Frage, ob Christus mit den wiederverheirateten Geschiedenen so umgehen würde, wie es gegenwärtig in unserer Kirche praktiziert wird. Wir sehen darin eher eine große Unbarmherzigkeit als ein Zeichen der Treue zu Christus. Wir lehnen diese Haltung ab als doppelzüngig, als unglaubwürdig, als unchristlich; (G211-368-0)
Es gibt genug Geschiedene, die von sich mit Recht sagen können, daß beim Scheitern der Ehe sie die geringere Schuld trifft oder daß sie im Gegensatz zum Partner die eheliche Treue nicht verletzt haben. Uns erscheint es verständlich, wenn ein solcher, oftmals noch junger Mensch wieder eine neue Bindung eingeht und dabei auch in Verbindung mit seiner Kirche bleiben will. Hier erfährt er sich dann aber zum zweiten Mal als bestraft und im Stich gelassen. (G214-427-0 und G214-424-0)
Wir sehen Menschen, die in einer Ehe leben, die wirklich nach allen Kriterien des menschlichen Begreifens kein Sakrament, sondern ein Elend ohnegleichen ist. Dieser pastoralen Problematik wollen wir gerecht werden und glauben, daß es auf diesem Hintergrund möglich sein muß, daß Eheleute sich trennen und mit dem Segen der Kirche eine neue Ehe schließen, ... (G185-312-0)
Selbst wenn ein Eheversprechen junger Leute ehrlich gemeint und nach bestem Wissen und Gewissen geprüft worden ist, muß dies nicht zwangsläufig ein Scheitern der Beziehung ausschließen. Die Ehe ist ein offener Entwicklungsprozeß, und niemand vermag zum Zeitpunkt der Trauung wirklich zu sagen, in welche Richtung dieser führt.(G214-420-0)
... kennt man für eine jahrzehntelang bestehende und gelungene Zweitehe nur den Begriff der ungültigen Ehe. Als ob nicht auch hier christliches Leben bezeugt werden könnte. Das wird nicht zuletzt an den Kindern aus dieser Ehe deutlich. Ist der Begriff ''ungültige Ehe'' nicht auch ein Anzeichen für die Verrechtlichung des Ehesakramentes? (G225-499-0 und G225-492-0)


Perspektiven

An erster Stelle (in der Mehrzahl der Voten zur Geschiedenenpatoral) steht die Aufforderung, wiederverheiratete Geschiedene zu den Sakramenten zuzulassen; meist ist dabei von Sakramenten die Rede, womit in der Regel Buße und Eucharistie gemeint sein dürften. Darüber hinaus muß aber wohl auch die überwiegende Zahl derjenigen Voten, die sich nur in kurzer Form gegen die Ausgrenzung von wiederverheirateten Geschiedenen (wie überhaupt von Menschen um ihrer Lebensform willen) aussprechen bzw. neue Überlegungen in der Geschiedenenpastoral einfordern, im Sinne eines Votums für die Zulassung zur Eucharistie interpretiert werden. Die Tatsache, daß manchmal lediglich das Stichwort ''Wiederverheiratete Geschiedene'' erwähnt wird, kann als Hinweis darauf genommen werden, daß die Problemstellung als bekannt vorausgesetzt wird. Andererseits wollen manche Voten möglicherweise mit ihren sehr allgemeinen Formulierungen offenlassen, wie der stärkere Einbezug der wiederverheirateten Geschiedenen in das Leben der Gemeinde geschehen kann.
In vielen Voten spielt der ausdrückliche Rekurs auf das Gewissen eine Rolle. Wiederverheiratete Geschiedene, die ihr Gewissen geprüft haben und sich für den Empfang der Kommunion entschieden haben, sollen in ihrer Entscheidung respektiert werden. Berücksichtigt man die 28 Voten, die für eine breitere kirchliche Anerkennung des Hirtenwortes der oberrheinischen Bischöfe zur Geschiedenenpastoral plädieren, so gewinnt die Gewissensfrage ein noch größeres Gewicht innerhalb der Voten.
Gerade die ausführlicheren Voten zeigen, daß der Einsatz für einen anderen Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen sehr wohl einhergeht mit einer ausdrücklichen Hochschätzung des Sakramentes der Ehe. Das Engagement gilt vor allem einer barmherzigen Kirche. Es wird zum Ausdruck gebracht, daß man mit rein rechtlichen Kategorien in diesem Bereich den Menschen nicht gerecht wird. Dabei wird vereinzelt auch darauf hingewiesen, daß der Weg der Annullierung dem Problem nicht angemessen ist. Einige Voten fordern eine stärkere Differenzierung unter dem Gesichtspunkt der Schuldfrage; andererseits sprechen nicht wenige Voten gerade auch Vergebung als christlichen Grundvollzug an.
Mehrere Voten thematisieren die Frage eines kirchlichen Rituals bei Wiederverheiratung, wobei die Wortwahl von dem am meisten genannten Begriff ''Segnung'' bis hin zu einem Ausdruck wie ''Neuempfang'' reicht.
Wiederholt wird der Bischof aufgefordert, den Seelsorgerinnen und Seelsorgern Hilfestellung für eine gemeinsam verantwortete Geschiedenenpastoral zu geben, und z.T. auch darum gebeten, in dieser Frage in Rom vorstellig zu werden.
Zahlreiche Voten wenden sich gegen kirchenrechtliche und arbeitsrechtliche Diskriminierungen wiederverheirateter Geschiedener.
Als letztes sei noch auf die Franziskanische Gemeinschaft hingewiesen, die Überlegungen angestellt hat, wiederverheiratete Geschiedene als Mitglieder aufzunehmen.

Mit ... Sorge sehen wir ... die Situation wiederverheiratet Geschiedener, ihre Glaubensnot und ihre zunehmende Abwanderung aus der Kirche. Wir fordern, verstärkt nach einheitlichen pastoralen Wegen zu suchen, wie diesen Ehepartnern geholfen werden kann, einschließlich der Möglichkeit der Teilnahme am sakramentalen Leben der Kirche. (D-171)
Im Bewußtsein eigener Sündhaftigkeit bitten wir für die wiederverheirateten Geschiedenen, daß ihnen auf ausdrücklichen eigenen Wunsch - etwa innerhalb der Beichte - die Teilnahme an den Sakramenten der Buße und des Altares gewährt werden kann. (G184-361-0)
Wir halten die Unauflöslichkeit der Ehe für einen hohen Wert, der auch in schwerer Zeit verteidigt werden muß. Dennoch erwarten wir, daß die Kirche auch im Bereich der Ehemoral die Barmherzigkeit Jesu Christi offiziell verkündet, die ein Wesensbestandteil seiner Botschaft ist. ... Ein ermutigendes Zeichen ist das Hirtenwort der drei süddeutschen Bischöfe und das Hirtenwort des Trierer Bischofs. Dieser Weg der Barmherzigkeit müßte nicht nur von einigen Bischöfen, sondern allgemein von der Kirche verkündet werden. (G182-326-0)
Die Kirche sollte bei der Frage, ob wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zugelassen werden, die persönliche Gewissensentscheidung der Betroffenen gelten lassen. Nur sie können diese Entscheidung persönlich vor Gott fällen; niemand kann sie ihnen abnehmen. (G367-924-0)
Warum vertraut die Kirche in dieser Situation nicht ein stückweit mehr dem Spürsinn ihrer Glieder, die durch Taufe und Firmung die richtigen Antworten auf den Ruf Gottes zu finden in der Lage sind? (G361-838-0)
Durch die heute jedem Menschen in allen Lebensbereichen abverlangte Selbständigkeit ist zwangsläufig auch das Risiko des Scheiterns von Bemühungen größer geworden. Wir wünschen, daß die Kirche die Teilnahme an der Eucharistie und der Kommunion (den Sakramenten) nicht als eine Belohnung für gutes, gelungenes Leben, sondern als ''Kraft für den Weg'' verkündet und so für die Nöte der Menschen offener wird. (VV-023-220)
... ob hier nicht auch für die katholische Kirche ein ähnlicher Weg möglich ist wie für die orthodoxe Kirche , die beim Scheitern der ersten eine zweite Ehe ermöglicht. (G312-700-0)
Wiederverheirateten Geschiedenen ... bedeutet eine kirchliche Segnung oft eine konkrete Unterstützung und Begleitung im Hinblick auf ihre Entscheidung, ihren weiteren Weg nicht ohne Christus zu gehen. (G228-535-0)
... keine kirchenrechtlichen oder arbeitsrechtlichen Diskriminierungen (VV-014-110)
Wir erwarten von unserem Bischof als unserem Hirten, daß er ein ermutigendes Wort in Bezug auf den Umgang mit Wiederverheirateten auch im Hinblick auf ehrenamtliche Mitarbeit in kirchlichen Gremien richtet. (G223-474-0)
... Möglichkeit der Einstellung als Mitarbeiter(innen) auch in pädagogischen und leitenden Aufgaben. (G114-042-0)