Themen des Erzbischofs
Zu Themen, die Kardinal Meisner persönlich ganz besonders
wichtig sind, bat er das Plenum der Schlußversammlung gezielt um
Einschätzungen und um Erfahrungsberichte aus der Praxis der
Gemeinden.
1. Wie und wo muß in den Gemeinden angesetzt werden, damit die
Spendung des Bußsakramentes in den einzelnen Gemeinden wieder
zum Normalbestand kirchlichen Lebens wird, um so auch die
sakramentale Grundstruktur der Kirche zu verlebendigen?
Kardinal Meisner gibt bei dieser Frage, deren Bedeutung ihm ganz
besonders am Herzen liegt, zu bedenken, daß die Beichte als
Sakrament in den Gemeinden weitestgehend verlorengegangen ist.
Dabei bildeten alle sieben Sakramente ein eigenes Ganzes, einen
Kosmos für sich, aus dem keines herausfallen dürfe. Der
Erzbischof konstatiert die paradoxe Situation eines enormen
Eucharistiekonsums bei gleichzeitigem Glaubensschwund. ,,Wir
müssen die Buße dazwischenschalten``, betont er. Denn die Kirche
lebe schließlich von der Vergebung. Aus dem Plenum wird dem
Erzbischof bestätigt, daß sich das Bußsakrament in
einer Krise befinde. Kritisch wird angefragt, ob denn wirklich
noch in der Gemeinde bzw. in der Kirche die Intention dieses
Sakramentes - Versöhnung, Umkehr, Neuanfang - transparent sei.
Keiner rede mehr mit anderen darüber, was ihm die Beichte für
sein Leben bedeute. Zudem fürchteten viele, sich in der Beichte
dem Zugriff eines anderen auszuliefern, oder fühlten das
Unvermögen, mit einem anderen über intime Empfindungen zu
sprechen. Obwohl - so eine weitere Erfahrung - die Menschen
untereinander häufig über eigenes Versagen sprächen, brächten
sie dieses Eingeständnis von Schuld nicht mehr mit dem Sakrament
der Vergebung in Verbindung, so die Beobachtung eines Pfarrers.
Es gelte, sowohl das Wesen der Sünde als auch das der Beichte im
Verkündigungsdienst wieder deutlicher zu machen, mahnt ein
anderer Priester - um der Menschen willen, denen Gott in diesem
Sakrament seine Barmherzigkeit schenke, aber auch, um dem
eigenen priesterlichen Auftrag gerecht zu werden. Vielen
Gläubigen sei die Befreiung durch diesen Schritt nicht bewußt,
erst recht dann nicht, wenn die Beichte in Kindheit und Jugend
als eine Strafaktion begriffen oder erfahren worden sei. Die
Gläubigen würden sich fragen, warum sie ihre Schuld über die
Autorität des Priesters mit Gott ausmachen müßten. Mehrere
Redner stellen fest, daß sich die Bedeutung der Beichte
grundsätzlich verändert habe und sie heute mehr als
eine Art geistlicher Begleitung verstanden und praktiziert
werde. Kardinal Meisner betont abschließend, daß Handlungen
durch Haltungen entstünden und erläutert aus seiner persönlichen
Erfahrung mit der Bußpraxis die Bedeutung dieses Sakramentes.
2. Wo und wie muß in den einzelnen Gemeinden angesetzt werden,
um eine Atmosphäre zu schaffen, in der gnadenhafte Berufungen
zur Ehelosigkeit im Priester- und Ordensstand zum Ziele kommen?
Die Aussprache zu dieser Frage illustriert deutlich die
gesellschaftliche ,,Wetterlage``: Da werde jungen Männern davon
abgeraten, ,,in diesem Laden`` zu arbeiten, berichtet ein
Priester; es wird bemängelt, daß heute das Profil des
Priesterberufs einfach nicht mehr klar sei; schließlich wird auf
den Aktionismus und die Gehetztheit verwiesen, die man bei
vielen Priestern erleben könne. Es kristallisiert sich heraus,
daß zum einen persönliche Ansprechpartner und zum anderen vor
allem ein gutes geistliches Klima in den Gemeinden wichtig sind,
wenn die Berufungen wachsen sollen. Die Gemeinden werden zu
wenig als Stütze und Hilfe erfahren, wenn es um die Entstehung
und Begleitung von Berufungen gehe. Die dennoch vorhandene
Sehnsucht nach einer geistlichen und geistigen Heimat äußere
sich aber auch darin, daß junge Menschen den neuen geistlichen
Bewegungen zuströmten. Die Folge davon sei allerdings, daß diese
jungen Menschen in den Gemeinden dann fehlen. Kardinal Meisner
bittet die Versammlung, die Sorge und Verantwortung für neue
Priesterberufungen mitzutragen. Die häufig vorgebrachte Klage
einer öberbelastung der Priester hält er für nicht
gerechtfertigt; die priesterliche Identität müsse heute so
gelebt werden, wie sie unter den gegebenen Verhältnissen möglich
sei.
3. Wie und wo hat eine Gemeinde vor Ort anzusetzen, um eine dem
schulischen Religionsunterricht begleitende Kinder- und
Jugendkatechese zu praktizieren?
Kardinal Meisner erläutert, daß die religiöse Ausbildung von
Kindern in der Regel drei Standbeine hat: Familie, Schule,
Gemeinde. Da heute die beiden ersten Instanzen in dieser
Funktion
weitestgehend ausfielen, käme die Aufgabe einer begleitenden
Katechese hauptsächlich der Gemeinde zu. Fast jede Gemeinde im
Erzbistum Köln verfüge über einen katholischen Kindergarten, und
damit sei zunächst einmal religiöse Bildung im Vorschulalter
gewährleistet. Mit dem Schulwechsel fielen die Kinder aber dann
zumeist in ein ,,katechetisches Loch``, in dem sie von der
Gemeindekatechese aufgefangen werden müßten. Dasselbe wiederhole
sich in der Zeit zwischen Kommunion und Firmung. Ein
Jugendseelsorger stellt fest, daß es in vielen Gemeinden schon
ein breites Angebot an Jugendfreizeiten, verbandlicher
Jugendarbeit, Oasen- und Besinnungstagen sowie viele Aktionen
mehr gebe und von daher genügend für die religiöse Bildung von
Kindern und Jugendlichen getan werde. Er reagiert damit auf die
Forderung, mehr kinderspezifische Begegnungsräume zu schaffen
oder gezielt Kinder-und Familienexerzitien in den Gemeinden
anzubieten. Zusätzliche Initiativen brächten nämlich auch das
Problem des Mangels an ehrenamtlichen Katecheten mit sich, die
für eine solche Aufgabe erst einmal gefunden werden müßten, gibt
eine ehrenamtlich tätige Frau zu bedenken. Vielmehr gehe es
darum - gerade auch in diesbezüglich sehr
engagierten Gemeinden, wo sich Laien mit Jugendarbeit
beschäftigten -, Kinder und Jugendliche ganzheitlich zu
motivieren, das heißt, an ihren Verstand und ihr Herz zu
appellieren, da Glaube sehr viel mit Emotion zu tun habe. Ein
Dechant greift das Problem fehlender Personalkräfte auf, indem
er entwaffnend feststellt, daß ,,der liebe Gott den Kindern in
ihren eigenen Müttern und Vätern ein gutes personales Angebot
mitgegeben habe``. Deshalb müßte vorrangig die Zusammenarbeit mit
den Eltern gesucht werden, statt weitere Einrichtungen und
Aktionen zu initiieren.
4. Wie kann das Anliegen des Konzils (,,Sacrosanctum Concilium``
100) aufgegriffen werden, Teile des Stundengebetes gerade auch
durch Laien vollziehen zu lassen?
Kardinal Meisner führt dazu aus, daß er diese Frage nicht nur
auf das Stundengebet, sondern auf alle Formen
nicht-eucharistischer Gottesdienste beziehen möchte. Eine
würdige Mitfeier der
Eucharistie verlange geradezu nach der Ergänzung durch
Gebetsgottesdienste. Er präzisiert deshalb: Wie können die für
das Gemeindeleben Verantwortlichen dafür sorgen, daß Formen
gemeinsamen Betens in größerer oder kleinerer Gemeinschaft
angeregt und gefördert werden, damit auch außerhalb der
Eucharistiefeiern der Gottesdienst als Band der Einheit und
Zugehörigkeit zur ganzen Kirche deutlich wird?
Ein Dechant hält nicht-eucharistische Gottesdienste für eine
gute Möglichkeit, auch Laien in die liturgische Gestaltung und
Verantwortung einzuführen. Dazu werden zahlreiche Beispiele aus
Gemeinden genannt. So gibt es in einer Pfarrgemeinde einen
Gebetskreis von Ehepaaren, der sich regelmäßig trifft; vor
Ostern werden ,,Exerzitien im Alltag`` durchgeführt. Ein anderer
Pfarrer berichtet, daß in seiner Gemeinde anstatt der
Werktagsmesse inzwischen ganz selbstverständlich ein
Wortgottesdienst gefeiert und von Laien gestaltet wird, wenn der
Priester keine Messe
zelebrieren kann. Aus einer Schule wird ähnliches berichtet;
dort gibt es gute Erfahrungen damit, auch gestische und
tänzerische Elemente in einen Wortgottesdienst miteinzubeziehen.
In mehreren Wortmeldungen wird betont, daß das Wissen um die
mögliche Vielfalt verschiedener Gottesdienstformen in den
Gemeinden noch sehr unterentwikelt ist. Dem soll durch gezielte
Fortbildung vor Ort abgeholfen werden, wünscht die Versammlung.
Als positive Erfahrung kristallisiert sich in den Wortbeiträgen
heraus, daß die Gläubigen in den Gemeinden auch nichteucharistische
Gottesdienste annehmen, wenn sie entsprechend
angeleitet und begleitet werden. Insbesondere scheint es
wichtig, eine einseitige Abhängigkeit vom Priester aufzubrechen.
5. Wie kann das Miteinander ausländischer und einheimischer
Gemeinden in unserem Bistum intensiviert werden, damit so auch
unsere Gemeinden bereichert werden und ein Beitrag zur
Verhinderung von Ausländerfeindlichkeit geleistet werden kann?
Ein Ausländerseelsorger betont, daß sich die ausländischen
Gemeinden voll und ganz dem Erzbistum zugehörig fühlen und
keine ,,Nebenkirche`` bilden, wie ihnen manchmal unterstellt
werde. Eine enge pastorale Zusammenarbeit zwischen deutschen und
ausländischen Gemeinden sei umso mehr anzustreben, als in
Deutschland bereits die zweite und dritte Generation
ausländischer Mitbürger heranwachse. Bei der Suche nach
gangbaren Wegen dieser Zusammenarbeit böten sich die
Ausländerseelsorger an, als ,,Brückenbauer`` zu wirken. Ein Redner
wünscht sich vor allen Dingen praktische Formen der
Zusammenarbeit vor Ort und nicht nur theoretische Erklärungen,
,,die niemandem weh tun``. In bezug auf das Thema
Ausländerfeindlichkeit, so ein anderer Beitrag, sollte in den
Pfarrgemeinden vor allem mit den Jugendlichen diskutiert werden,
etwa im Zusammenhang mit der Firmvorbereitung. Schließlich wird
aus einer Gemeinde berichtet, daß gemeinsame Gottesdienste von
ausländischen und einheimischen Gemeinden an kirchlichen Festen
zu einer großen Bereicherung geführt hätten. Allerdings müsse
dafür auch von seiten der ausländischen Gemeinde Bereitschaft
bestehen. Kardinal Meisner verweist zum Schluß darauf, daß es in
der Kirche prinzipiell keine Ausländer gebe; dennoch sei die
Beantwortung einzelner Fragen und Probleme sehr schwierig. Durch
eine gute Kooperation zwischen deutschen und ausländischen
Gemeinden sollten sich ausländische Katholiken ,,bei uns wohl
fühlen können``.